"Bleiben Sie gesund!" Pro und Contra im Umgang mit Kunden

Von Mirja Stöcker
Statt freundlicher Grüße lesen wir auch im Geschäftsleben in E-Mails, Briefen oder Chats seit März 2020 immer wieder "Bleiben Sie gesund". Sollte man diesen Satz in der Business-Kommunikation verwenden? Wie werden Kunden darüber denken? Handelt es sich um einen Herzenswunsch, der Freundlichkeit und Solidarität bekundet? Oder ist er Ausdruck einer neuen Gesundheitstyrannei? Hier kommen Pro und Contra aus Texterperspektive.

Pro: Die empathische Grußformel

"Bleiben Sie gesund" - für die Befürworter der neuen Grußformel ist das auch im Business einfach nett gemeint. Nicht wenige Menschen empfinden die Ära von Corona als Chance für einen neuen Zusammenhalt. Wo wir alle im selben Boot sitzen und wo niemand bloß sich selbst, sondern vor allem den Anderen effektiv schützen kann, achtet man mehr aufeinander, nimmt man mehr Anteil. Und so liegt es doch nahe, sich der Bedrohung durch das Virus mit einem wohlmeinenden Wunsch entgegenzustemmen: In diesem Sinne ist "Bleiben Sie gesund" das neue "Passen Sie auf sich auf" oder "Haben Sie eine gute Zeit". Ein freundliches Zeichen, nicht mehr und nicht weniger.

Die Sehnsucht nach mehr Miteinander war schon vor Corona groß. Nun ist das Miteinander zwar vorwiegend virtuell geworden, aber vielleicht lässt sich dennoch mehr Mitgefühl zeigen. Vor allem in der mündlichen Kommunikation, wenn der Sprecher noch ein Lächeln auf den Lippen hat. 

Contra: Der neue Imperativ

Rein sprachlich handelt es sich hier um einen Imperativ und der drückt im Deutschen nun mal einen Befehl oder zumindest eine starke Erwartung aus. Wer das jetzt für Wortklauberei hält, weil auch ein freundlicher Wunsch imperativisch formuliert sein kann, dem sei entgegenet: Imperativische Werbung kommt auch nicht gut an. Hinzu kommt, dass sich im Laufe der Zeit ein weiterer Satz ins allgemeine Bewusstsein gebrannt hat, der ganz ähnlich klingt: Bleiben Sie zu Hause.

Hier wird sicher klarer, dass es sich tatsächlich um eine starke Aufforderung handelt. Daher könnte auch im vermeintlich wohlwollenden "Bleiben Sie gesund" eine Ermahnung stecken: "Halten Sie Abstand", "Rücken Sie Ihre Maske zurecht". Der Andere wird auf den Gefährdeten und letztlich auf den Gefährder für sein Umfeld reduziert. Der Kranke wird stigmatisiert, weil er nicht aufgepasst hat. "Bleiben Sie gesund" wäre in diesem Sinne mit dem Drostenschen "Pandemischen Imperativ" verwandt. Und spätestens, wenn das ganze verschriftlicht wird – also in der E-Mail-Korrespondenz oder sogar fest installiert in der Signatur – bekommt es diesen übergriffigen Charakter.

Tatsächlich wissen wir heute, dass sich viele Menschen schämen, wenn sie Corona bekommen. Das Contra-Argument lautet also: Das muss man nicht durch den sprachlichen Diskurs und ein Erinnern im Minutentakt (zum Beispiel an Bahnhöfen) noch fördern.

Fazit: Individuell kommunizieren ist immer besser

Als mir meine Optikerin vor wenigen Tagen ein freundlich klingendes "Bleiben Sie gesund" zum Abschied hinterherrief, lächelte ich und antwortete: "Das wünsche ich Ihnen auch". Ich glaube, sie wollte wirklich einfach etwas Nettes sagen. An dieser Stelle ist ganz einfach semantisches Wohlwollen angebracht.

Dennoch denke ich: Man könnte den Blick ja auch mal wieder auf diejenigen Menschen richten, die auch ohne Corona jedes Jahr unter schlimmen gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden oder diese Welt verlassen. Man könnte einen Menschen einfach mal wieder fragen, wie es ihm geht. Ich möchte jedenfalls nicht sagen: Wenn du COVID-19 hast, dann hast du mein volles Mitgefühl, aber ansonsten interessierst du mich nicht. 

Darüber hinaus versucht ja jeder, der professionell kommuniziert, verbindend zu sprechen und zu schreiben. Damit meine ich: möglichst unabhängig von der politischen Ausrichtung des Gegenübers. Und Corona ist nun mal ein überaus emotionales, moralisch aufgeladenes und politisches Thema. Niemand weiß, wie wir in der Zukunft, allen voran die Historiker, über diese Zeit denken werden. In diesem Sinne wäre wohl auch Zurückhaltung angebracht, was imperativische Wünsche angeht.

Ähnlich verhält es sich übrigens mit dem Genderstern, der unsere Sprache ganz direkt betrifft. Wer glaubt, mit dem Gendersternchen alle Menschen einzuschließen, irrt leider, wie ich an anderer Stelle zeige.

Generell kann es übrigens in der Business-Kommunikation Sinn machen, wenn nicht jeder sein eigenes Floskel-Süppchen kocht. Im Rahmen eines Corporate Language Konzepts könnte definiert werden, auf welche Art ein Unternehmen seine Kunden generell ansprechen oder verabschieden möchte.

07.04.2020

Kategorie: KommunikationTexter