Text für TV-Spots: Warum Agenturen kein Voice over können
Wer schreibt das Drehbuch?
Es ist schon wieder passiert. Ein Kunde von mir hat eine Agentur für einen Spot beauftragt. Es schien so naheliegend. Hier bekommt man alles aus einer Hand, das sind doch die Filmspezialisten. Und dann, kurz vor Drehbeginn, landet das Drehbuch doch auf meinem Schreibtisch. Ob ich nicht schnell mal drüberschauen könne. Irgendwie sei das noch nicht so rund. Und die Corporate Language auch nicht richtig umgesetzt. Nur ein bisschen Input von mir, das wäre schön. - Klar, mache ich gerne. Aber selbstverständlich hätten wir das auch gleich richtig machen können. Ist am Ende sogar günstiger.
Dreiecksbeziehung: Agentur, Kunde, Texter
Film-Agenturen haben nicht die besten Texter. Und häufig haben sie gar keine. Dann geht die Agentur, die viel von bewegten Bildern versteht und weniger von Marketing und Text, zum Kunden. Sie nimmt das Briefing auf und reicht es an einen ihrer Freelancer weiter. Der hat noch weniger Ahnung von Marketing, und den Kunden kennt er auch nicht. Textlich sind diese Texter unterschiedlich gut ausgebildet. Viele haben mal irgendwas studiert, kommen dann in irgendeine Firma, wo sie texten, weil sie schon als Kind so gerne Aufsätze geschrieben haben. Dann sind sie Texter, träumen von mehr Freiheit und werden Freelancer. Oder sie werden gleich Freelancer, was auch nicht besser ist. Sie texten, ohne das ökonomische Umfeld und den strategischen Kontext vom Kunden des Kunden zu kennen und zu verstehen. Manche werden sogar Texter, "obwohl" sie dann in der verruchten Wirtschaftswelt arbeiten müssen, wie ich erst kürzlich auf der Website einer Texterin las. Wen wundert es nun, dass das mit dem Voice over so häufig so unterirdisch ist?
Je kürzer, desto anspruchsvoller
Es tut mir leid, wenn das arrogant klingt. Aber "Texter" ist nun mal keine geschützte Berufsbezeichnung und der Wert des Wortes gilt in vielen Agenturen wenig. Und genauso hören sich die Spots dann an. Da finden abgedroschene Floskeln den Weg in die kostbare Sendezeit. Es gibt es keine rhetorische Zuspitzung; nichts, was den Information Overload überlisten könnte. Und wenn für 300 Zeichen Output nun auch noch fleißig gepromptet wird, macht es das Ergebnis nicht besser. Im Gegenteil. Dann haben wir als Zuhörende endgültig und zurecht den Eindruck, dass wir diesen Spot schon tausendfach gehört haben.
Dabei fängt für richtig gute Texter genau hier der Spaß an. 300 Zeichen bedeuten wunderbarste Konzentration aufs Wesentliche. Das Einkochen der Botschaft zu einer intensiven, aromatischen Sauce. Mhhhhhhmmmmmm!
Warum TV-Spots nur ohne KI?
Weil Ihr GPT nicht aus Erfahrung weiß, wie grässlich es ist, sich mit schlechten Spots auf dem Sofa zu langweilen. Er hat deshalb leider keine Hemmungen, Ihnen die abgedroschendsten und peinlichsten Phrasen vorzuschlagen. Was nicht heißt, dass in der Drehbuchvorbereitung nicht KI zum Einsatz kommen darf. Auch ich als Profi-Texterin arbeite mit Chat GPT, wo ich es für sinnvoll halte.